PNDS Januar 1998 fuer Fremdsprachenuniversitaet Peking
Textarbeit
Aggression und Zivilisation (ueber das Ansteigen der Gewalt in der Gesellschaft)
Die Furcht vor Gewalt ist an die Spitze der Buergeraengste gerueckt.Der Ruf nach mehr Polizei wird lauter.Aber vergessen wir nicht:Aggressivität wurzelt tief in der menschlichen Natur und in speziellen Maengeln der Gesellschaft.
Gerade in den Exzessen jugendlicher Gewalt spiegelt sich deutlich ein Trend in der Erwachsenenwelt.Aggressivitaet und Gewalt werden immer mehr als unabwendbares Phaenomen und somit als eine Alltagserscheinung hingenommen.Grossflaechig betrachtet blaettert der zivilisatorische Lack von der Gesellschaft ab,und zum Vorschein kommt ein Stueck menschlicher Urnatur,die nicht einmal vor Angriffen auf die Schwaechsten der Gesellschaft zurueckschreckt.Zunehmend werden hilflose Menschen Opfer roher Gewalt,wie zum Beispiel Behinderte,Obdachlose und alte Menschen.Der Grund fuer das Fallen dieser Tabu-Schranken,so sagen Soziologen und Psychologen,sei vor allem das kaelter werdende soziale Klima.
Worin liegen die Ursachen dieser Entwicklung?Einige beklagen den gewachsenen Autoritaets-und Werteverfall.Andere machen den Sozialabbau,eine schlechte Drogenpolitik,mangelnde Verbrechenspraevention und nicht zuletzt die Medien dafuer verantwortlich.Insbesondere das Privatfernsehen foerdere mit der Ausstrahlung von brutalen Flimen die Bereitschaft zur Gewalt.Diese Negativtrends koennen wir ueberall in den westlichen Industrienationen beobachten.Dazu gehoert vor allem der Bedeutungsverlust traditioneller sozialer Strukturen.Anonymitaet und Beziehungslosigkeit nehmen zu.Solidalitaet und Ruecksichtnahme nehmen ab.Egoismus macht sich ueberall breit.Zum Faustrecht neigt in der “Ich-Gesellschaft” vor allem derjenige,der keinen Halt mehr in der Familie hat,den die Schule ueberfordert und dem es an Berufsperspektiven fehlt.Viele Jugendliche fuehlen sich,auch wenn sie Gewalt im Prinzip ablehnen,auf Grund der Hoffnungslosigkeit ihrer Lebenssituation im Umfeld einer gleichgesinnten,gewaltbereiten Jugendbande wohl,weil diese ihnen Geborgenheit vermittelt.Um den Jugendlichen die Perspektivlosigkeit zu nehmen,sei,so meint ein bekannter Kliminologe,eine “gute Sozialpolitik letztlich die beste Kriminalpolitik”.
(aus: “Der Spiegel”Januar 1994,Text veraendert)
Fragen zum Text
1. Was versteht man unter den Begriffen
a) Wertverfall
b) Faustrecht
2. Erklaeren Sie an Hand des Textes,warum die Gewaltbereitschaft ueberall zunimmt.
3. “Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik.” Koennen Sie diesem Satz zustimmen?Begründen Sie Ihre Meinung!