Der Ausbruch aus alten Rollen
Die moderne Beziehung, der moderne Mann, die moderne Frau, die moderne Familie,diese Begriffe klingen beinahe schon vertraut,dennoch erweist sich die Bezeichnung modern?als irrefuehrend,denn niemand wei was sich dahinter verbirgt.
Eines ist sicher:Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch.Das traditionelle Modell,in dem die Frau sich um die Familie im haeuslichen Kreise kuemmert und der Mann hinaus in der Berufsalltag entlassen ist,wird von vielen modernen Paaren in Frage gestellt.Die Frauen wollen nicht mehr auf Berufsausuebung verzichten,und damit entsteht die Notwendigkeit,das Projekt Familie?neu zu organisieren.Umstellungen in der Rollenverteilung verlaufen jedoch selten reibungslos.
Tatsaechlich scheitern viele Versuche bereits im Vorfeld.Der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf nach einer Familienpause misslingt,wenn die Familienarbeit nicht partnerschaftlich organisiert ist,denn der Kraftakt einer Dreifachbelastung(Kinder/Partnerschaft/Beruf) macht noch lange keine moderne Beziehung aus.Im Gegenteil:Er laedt alle Anstrengungen nur einem Teil in der Beziehung auf.Auch das simple Modell des Rollentausches ist kein Erfolgsrezept.
Maenner sollten sich darum auf zwei Dinge einlassen:Sie sollten sich weniger ueber aeusserliche Erfolge--wie Rang in der Hierarchie,Leistung,Geld,Status und Statussymbole--definieren und bewerten,und sie sollten bereit sein,auf dei Frau als allzeit bereite haeusliche Arbeitskraft zu verzichten,die dem Mann fuer seine Karriere den Ruecken freihaelt.
Dadurch entstehen Freiraeume.die neue vielfaeltige Perspektiven im Berufs-und Privatleben eroeffnen,denn alle Fragen der Partnerschaft,Lebensgestaltung in Familie und Beruf und die Betreuung der Kinder haengen von diesen beiden Voraussetzungen ab.
Fuer junge Maenner,die Kinder wollen,heisst das konkret,das sie sich in Zukunft fragen muessen,was sie ausser Geld Verdienenin die Lebensgestaltung einbringen wollen.Das bedeutet natuerlich auch,ein Stueck Macht abzugeben oder erst gar nicht anzustreben.Auch die traditionelle Arbeitsteilung in der Familie bedingt Machtverhaeltnisse.Ueber Macht verfuegt hier derjenige,der den Tagesablauf vorgibt,die Urlaubstermine bestimmt,der durch seine Arbeit fuer vieles nicht mehr zustaendig sein kann,da er nicht flexibel ist.Flexibilitaet ist aber seit jeher das Los der Frauen.Eine gelungene Rollenteilung muesste sicherstellen,dass auch die Maenner zur Flexibilitaet bereit sind,ihre Position zurueckzuschrauben.
Dieser Prozess ist fuer die Maenner schmerzhaft und verlangt deshalb viel Mut,Beharrungsvermoegen und Durchsetzungskraft von ihnen.Aber genauso muessen sich die Frauen von ihrer Opferbereitschaft verabschieden,zu der sie oft genug erzogen worden sind.Statt Anpssung gehoeren zu ihrem neuen Rollenverst鋘dnis Aggressivitaet und der Mut,die Teilung der Macht einzufordern.Was wir brauchen,ist Lernfaehigkeit-auf beiden Seiten.
(aus:Sueddeutsche Zeitung,22./23. Juli 1995,geaendert und gekuerzt)
Textarbeit